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Auf ein Glas Wein mit Markus Baier

Auf ein Glas Wein mit Markus Baier

Der Architekt

Wollte man Markus Baier aus Reiner Austermann heraus erklären, er hätte gleich wieder heimfahren können, nachdem er in unserer Einfahrt geparkt hatte. Machen wir ein ungewöhnliches Experiment und vergleichen die Beiden anhand ihrer Autos.

Da stand plötzlich ein Smart Roadster Coupé aus den frühen Nullerjahren auf unserem Kies. Damit ist eigentlich alles gesagt. Baier hat Spaß am Auto – wie Austermann, der meist in seinem alten Land Rover Defender zu sehen war. Es geht auch ihm nicht ums Repräsentieren (schon komisch, wenn er sich aus der Flunder faltet). Es ist eine eher schräge, sehr individuelle Wahl für einen deutschen Amtsträger – wie bei Austermann. Das zeugt von Persönlichkeit, von authentischer Eigenständigkeit und einer gewissen Lust am Detail.

Markus Baier sieht seine Politik in der Tradition der letzten Ratsspitze. Allerdings könnte man seinen Smart im Heck von Austermanns Defender parken. Der Roadster verbraucht auf hundert Kilometer so viel, wie der Defender Hubraum hat (beides überspitzt formuliert!). Hier die robuste, traditionsreiche Ewigkeitsmaschine. Das unverwüstliche Arbeitstier in allen Lebenslagen. Das in Blech geformte, steiflippige, britische Oberklassenunderstatement.

Dort dagegen ein wagemutiges Designstatement. Ein radikales Konzept, technischen Minimalismus mit Lebensfreude aufzuladen. Die klimafreundlichste Art ein Formel 1 Fahrgefühl mit kleinstem, ökologischen Fußabdruck zu erreichen. Ein Ausrufezeichen hinter dem Satz: „Umweltbewusstsein kann richtig Spaß machen!“.

Das sind holzschnittartige Klischees? Vielleicht. Oder es sind subtile Botschaften, die wir alle senden aber die uns nur selten bewusst sind. Markus Baier hat Architektur studiert und danach noch VWL, weil es Spaß machte. Er hat immer für Städte gearbeitet, Plätze, Straßen, öffentliche Gebäude begleitet. Erst in Regensburg, dann in Bad Driburg, seit fünf Jahren in Lemgo. Er ist ein Pragmatiker, einer der gut mit Regularien, Vorgaben, Verwaltungsaufgaben kann. Er hat Freude daran Strukturen zu verstehen und zu organisieren. Das ist die eine Seite.

Und dann steckt da noch ein Künstlertyp in ihm. Einer, für den Stadtplanung auch viel mit Schönheit und Lebensqualität zu tun hat. Einer, der ein kleines Glas leichten Wein nicht ablehnt, nur weil er Angst hat, Alkohol beim Interview könne unvorteilhaft aussehen. Einer, der einfach zugreift beim Käse, der auch in so einer „beobachteten“ Situation als Mensch anwesend ist und nicht als stereotype Antwortmaschine á la Berufspolitiker.

Wir Deutschen sind fast alle irgendwie regionspusselig. Schon als Westfale hat man es in Lippe nicht nur leicht und umgekehrt. Aber warum ein Franke für Lemgo? Eine im Kern so bescheuerte Frage, das ich sie raus nehmen sollte, aber ich weiß das sie im Raum steht. Er kam einst nach NRW, weil sich gute berufliche Perspektiven boten, weil die Kommune Bad Driburg sein Leistungsportfolio schätzte. Ein Architekt mit Abschluss in Volkswirtschaft, das ist streng genommen die ideale Kombination für den Leiter einer Behörde für Stadtentwicklung. Wissen wie’s geht und wissen wie man’s finanziert. Damit ist alles gesagt. Ein Geburtsort in Lippe würde ihm da fachlich sicher nicht weiterhelfen. Und der Akzent ist doch niedlich.

Er liebt altes Gemäuer, das ist nicht selbstverständlich unter Architekten. Er empfindet Bauen im Denkmalumfeld eher als spannend als beengend. Er ist gerne zu Fuß unterwegs und liebt romantische Innenstädte, immerhin ist er auch Geschäftsführer des Arbeitskreises historischer Innenstädte. Solche Leute fragt man nicht, ob sie Lemgo lieben, was sollen sie schon antworten? Viel interessanter ist da die Frage, was er sofort ändern würde, wenn er könnte. Das sei gar nicht so einfach, meinte er, weil in Lemgo, in der Vergangenheit so vieles richtig gemacht wurde.

Was ihm am Herzen liegt ist, ein neues Verständnis von Verkehr. Man müsse Verkehr ganzheitlich anschauen, ohne die Fronten zwischen Radfahrern, Autofahrern, Busnutzern, etc. Wolle man die Stadt der Zukunft klimafreundlich, bezahlbar und lebenswert halten, müsse man zu Konzepten finden, die intelligenter ineinander greifen.

Ja, man kann ein altes, irgendwie auch ein bisschen absurdes Auto fahren und damit zukunftsweisend sein. Es ist klein, hat einen lächerlichen Verbrauch und macht kaum mehr Lärm als die Nähmaschine meiner Oma.

Was die Energie und Klimapolitik der Zukunft angeht, hat er, der sich auch als Ingenieur sieht, einen schönen Satz gesagt: „ Wie mutlos muss ich als Ingenieur sein, wenn ich nicht glaube, dass wir auch ohne alte Energien wachsen werden?“

Erst als wir, ganz zum Schluss, ein bisschen Video laufen lassen, rutsch er kurz einmal ins formelhafte, staatstragende. Aber auch das muss er natürlich beherrschen, in dem Job. Wichtiger ist: Immer bleibt der warmherzige, positive, neugierige Mensch sichtbar. Markus Baier ist parteilos, weil es absolut glaubwürdig ist, das es ihm um die Sache geht, nicht um irgendwelche politischen Mätzchen. So wie der späte Austermann, er hat das schon jetzt.

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